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Wahlkampf aus der Sicht eines Psychologen

Hofbauer Stefan am 27.9.2013
Fr 27 Sep

Gladiatorenkämpfe waren vor 2000 Jahren im antiken Rom die angesagteste Form der Unterhaltung. Und wahrscheinlich schrie das Publikum vor Begeisterung, wenn möglichst viel Blut floss. Am Ende eines solchen Kampfes blickte alles zum Kaiser, um zu sehen, ob sein Daumen nach oben oder nach unten zeigte. Ein Daumen nach unten bedeutete für den Besiegten den Tod, ein Daumen nach oben hieß, er kam noch einmal mit dem Leben davon.

Kommt uns das nicht seltsam bekannt vor? Da gibt es doch eine große Social Network Plattform, die diesen Daumen geradezu zum alleinseligmachenden Werkzeug auserkoren hat. Daumen nach oben heißt heute, du bist in, du bist cool, du bist ein Gewinner. Daumen nach unten heißt, du bist ein Loser. Und die Medien, die Wirtschaft und die Politik machen es ihr nach. Schließlich müssen wir heute ständig auf fahrende Züge aufspringen, um selbige nicht zu verpassen. Wen kümmert es da, dass derjenige, der ständig auf fahrende Züge aufspringt, sich eines Tages den Hals brechen wird?

Wie einfach die Welt doch geworden ist! Und im Wahlkampf werden diese primitiven Instinkte ebenfalls munter bedient. Schon die Worte WahlKAMPF, KONFRONTATION, etc. zeigen wie wenig es hier um eine sachliche Auseinandersetzung, um konstruktive und differenzierte Vorschläge für die zukünftigen Entwicklungen unseres Landes geht. Es scheint weder das Volk noch die Medien zu interessieren, wer was zu sagen hat. Es geht nur noch um gewinnen und verlieren. Was für ein simples Weltbild!

Das bessere Abschneiden eines Kandidaten sagt nur etwas über die Effizienz seiner Medien- und Kommunikationsberater und vielleicht noch seiner Maskenbildner aus, aber doch wohl nichts über die politischen Themen, die er vertritt.

Als mündiger und politikinteressierter Bürger hatte ich außerdem fünf Jahre lang Zeit mir die Arbeit der Regierungsparteien und der Oppositionsparteien ganz genau anzusehen und auch zu beurteilen, was sie verabsäumt haben. Als interessierter Bürger weiß ich außerdem von vornherein, welche Themen eine Partei vertritt und wofür sie steht. Ich kann auch sehen, wo meine eigene Meinung von einer Parteilinie abweicht und dann für mich entscheiden, ob ich diese Abweichung in Kauf nehme oder nicht. Aber vielleicht ist das ein zu idealistischer Standpunkt?

Meines Erachtens hat die Art und Weise, wie Politik heute inszeniert wird, einen Tiefpunkt erreicht. Es werden von den Medien ganz bewusst primitivste Instinkte bedient und alles giert nur nach dem Daumen, der nach oben zeigt. Tut er das nicht, gehen wir zu anderen Parteien, Themen, (austauschbaren) Promis, Politikern, Sternchen weiter. Vielleicht findet das der eine oder andere Zuseher „geil“, allerdings darf er sich dann nicht darüber beschweren, dass nicht mehr sachlich und differenziert diskutiert wird.

Und so stimmt es mich zumindest nachdenklich, dass politische Auseinandersetzung heute eher einem römischen Gladiatorenkampf ähnelt als einer Diskussion von Intellektuellen. Plato, der einst in seiner Politeia vorschlug, dass nur die klügsten Köpfe die Geschicke eines Staates lenken sollten, würde sich wohl im Grab umdrehen, wenn er sähe, dass heute nur noch die schicksten, bestangezogenen, kommunikativ zurechtgedrillten und nichtssagenden Menschen unsere Staaten lenken…

#wahlkampf #psychologisch



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Psychologie Wahlkampf
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